Bergers Geschwafel

Die Webseite von A. M. Berger, bescheidener Hausierer von Geschichten und Traktaten.

Von der conditio humana zur conditio politica

Es ist schwer zu glauben, dass es mal eine Zeit gab, wo man humoristische Unterhaltung produzierte. Das heisst, echter Humor und nicht politische Propaganda welche die Verachtung und Beleidigung Andersdenkender in ein Gewand des Humors wickelt und als solchen kolportiert. Echter Humor ist zeitlos, wenn man einen Stummfilm aus den 20er Jahren schaut, so lacht man auch ein Jahrhundert danach über die gezeigten Mätzchen und Eskapaden. Ein moderner Klassiker wie „Die Nackte Kanone“ hat viele Jahrzehnte danach noch die selbe Wirkung. Doch sucht man nach ähnlich wirksamem Humor aus jüngeren Jahren, so wird es eine mühselige Suche.

Man bekommt den Eindruck, dass alles, was uns inzwischen als Unterhaltung angeboten wird, von Ideologie, Subversion und Politik durchtränkt ist. Selbst eine Kunstform wie die Oper, welche eigentlich nicht mehr als lebende Kunstform sondern nur als ein Museum seiner selbst existiert, wird Opfer dieser Kulturrevolution: Inzwischen ist es praktisch standardisiert, dass Verdis „Nabucco“, welches das Schicksal der Israeliten unter dem babylonischen König Nebukadnezar thematisiert, mit Motiven von Nazis und Holocaust versehen wird; ebenso dass Bizets Meisterwerk „Carmen“ mit Symbolik vom spanischen Bürgerkrieg versehen wird. Nichteinmal klassische Musik von vor zwei Jahrhunderten bietet Schutz vor dem allgegenwärtigen Moloch der hineingezwängten politischen Thematik.

Der Wert der Kunst ist es, dass sie die conditio humana anspricht, das universelle Erlebnis des Menschsein, welches fast jede Person dieser Welt lediglich durch die Kondition als Mensch verstehen wird. Praktisch jeder kann nachvollziehen wie es ist, verliebt zu sein und dass einem das Herz gebrochen wird; oder jemandem zu vertrauen und von dieser Person hintergangen zu werden; oder einfach die alltäglichen Kämpfe des Lebens auszutragen, sei dies etwas so dramatisches wie ein Krieg oder etwas so banales wie die Suche nach einem Arbeitsplatz.

Wenn ein Samurai im Japan des 16. Jahrhunderts verachtet wird, weil er in seinen Fähigkeiten nicht gut genug ist, so kann das der Europäer des 21. Jahrhunderts problemlos nachvollziehen, denn auch dieser wird höchstwahrscheinlich einmal erlebt haben, dass es heisst, er sei für dieses oder jenes nicht gut genug, selbst wenn es etwas so scheinbar unbedeutendes wie eine durchgefallene Prüfung während der Schulzeit wäre. „Einer Erwartung nicht gerecht werden“ ist ein derart abstrakter, universeller Gedanke, dass ihn jeder versteht, und es ist die Kunst, diesen Gedanken in einer ansprechenden Handlung zu verkörpern, sodass er dann vom Zuschauer empathisch gelesen werden könne. Denn das ist die conditio humana.

Die postmoderne Kunst unserer Zeit will von alledem nichts wissen. Es geht nicht darum, abstrakte Gedanken in konkreten Ausdrücken zu verkörpern, sondern darum, konkrete Situationen als Verkörperung abstrakter Gedanken zu verkleiden. Die politische Ideologie soll dadurch als die absolute Wahrheit der conditio humana vorgeführt und somit von subjektiver Ideologie zu objektiver Realität erhoben werden. Das einzige Problem ist, dass Ideologie niemals Wahrheit ist, sondern eben Ideologie. Ebenso wie nicht jeder politische oder ideologische Widersacher ist eine Verkörperung reiner Bosheit ist, so sehr man diesen auch ganz nonchalant so präsentiert.

So sehr ist die postmoderne Imitation von Kunst in ihrem ideologisch verzerrten Konstrukt der Realität gefangen, dass dieses Phänomen gar nicht als solches wahrgenommen wird. Im Geist der Schöpfer dieser Werke bilden sie möglicherweise allen ernstes das ab, was sie die Realität meinen. Und so schwierig es auch ist, eine rationale Erkenntnis unserer unendlich komplexen Realität zu erreichen, so ist es letzten Endes unsere menschliche Sensibilität, welche diese Konstrukte durchschaut. Denn so sehr jemand sich dazu zwingen möchte, die vorgegebene Realität als Darstellung der conditio humana zu akzeptieren, sein Geist wird sich davor sträuben, denn er findet nicht die Verbindung zu diesem abstrakten, universellen Erlebnis, welches alle Menschen nachvollziehen können.

Es ist nun die conditio politica, die politische Kondition, geboren aus einem Umfeld welches die ganze Realität nur noch unter ideologischer Betrachtung versteht.

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Herr Berger

A. M. Berger, der bescheidene Hausierer von Geschichten und Traktaten, ist in der Schweiz ansässiger Philosoph und Autor von Romanen und Kurzgeschichten.
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