Bergers Geschwafel

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Der Mensch erhebt sich zum Gott

Aus „Epistemologie der Postmoderne“

Die sich für Weise hielten, sind zu Narren geworden und haben die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes vertauscht mit einem Bild gleich dem eines vergänglichen Menschen und der Vögel und der vierfüssigen und der kriechenden Tiere.

– Römerbrief Kap. 1, Vers 22-23

Der Mensch lebt in einem Zwiespalt, worin er einerseits seine Umgebung gestaltet und weitgehend über die Natur und die Welt bestimmen kann; andererseits aber den sog. Naturgesetzen untersteht: Er kann Wetter und Gezeiten nicht beeinflussen, oder auch nicht über Leben und Tod verfügen. Das Leben kann gezeugt werden, doch es muss von sich selbst her gedeihen, der Tod kann herbeigeführt oder verzögert werden, aber nicht verhindert, wenn er unausweichlich wird.

Der Mensch hat ein innewohnendes Begehren danach, Ordnung zu schaffen, welches sich, als Unikum unter den Lebewesen der Erde, im Erbauen komplexer Zivilisationen ausgedrückt hat. Wo allerdings die rationale Vorgabe war, dass man eben nicht alle Phänomene der Realität kontrollieren könne, und sich stattdessen pragmatisch innerhalb der menschlichen Kapazitäten darauf anpassen muss, so sieht die emotionale Realität keine derartigen Begrenzungen.

Die vermeintliche Überwindung der Ästhetik in der Postmoderne und der folgliche Wandel in der Auffassung, dass Schönheit nicht inhärent vorgegeben ist, sondern subjektiv vom Menschen zu entscheiden sei, hat auch eine tieferliegende Bedeutung als der erste Schritt, worin sich der Mensch vom Geschöpf zum Schöpfer selber erhebt.

Unterschiedliche Phänomene, welche in der Moderne noch Randerscheinungen waren und in der Postmoderne zu immerwährenden gesellschaftlichen Fragen werden, wie z.B. Klimapolitik oder „Gender“-Ideologie, Phänomene, die scheinbar keinen Bezug zueinander haben, haben doch einen gleichen Nenner in ihrer Vorstellung, über unbeherrschbare Phänomene zu herrschen.

Die Vorstellungen, dass Wetterphänomene direkt durch das Handeln des Menschen hervorgerufen werden; wie auch dass der Mensch sein Geschlecht nach Wunsch anpassen könne, werden zu Dogmen erhoben, nicht weil es darum ginge, den Planeten zu retten oder für gesundheitliches Wohlbefinden zu sorgen, sondern weil es den Zuspruch über die absolute Dominanz des Menschen über die Realität bedeutet.

Der Mensch allein sieht sich in der Position, über die Realität und seine Existenz zu verfügen, bis hin zu der Entscheidung über die Beendung dieser Existenz in Form des Suizides. Ein Akt, welcher bis Anhin in den christlich geprägten Kulturen ein Tabu war, wird nun allmählich normalisiert, in erster Instanz als rein palliative Massnahme, welche aber anschliessend unweigerlich auch als generelle Möglichkeit des Freitodes ausgeweitet wird.

Selbstmord ist, als eine Art von Mord, in der christlichen Moralvorstellung verpönt, doch die Moralität selbst ist in der Postmoderne nunmehr vom Menschen vorzugeben.

Die Moralität der europäischen Kulturen ist ursprünglich christlich geprägt. Der christliche Glaube war die Grundlage für die „westliche“ Moralvorstellung, welche manch einem heute nur noch als logisch und vernünftig erscheint. Und so sehr sich dieser Kontinent (wie auch seine kulturellen Ableger) über die Geschichte hinweg gegen viele der moralischen Vorgaben des Christentums gesträubt hat, so tendierte er mit der Zeit stets wieder dorthin zurück, ein „moralischer Kompass“ welcher gerade durch seine Missachtung stärker zur Deutung kam.

Die Idee, dass Moralität objektiv, vernünftig und absolut sei, ist allerdings ein Trugschluss, welcher aus der Normalisierung der geltenden christlichen Moralvorstellung stammt. Vor allem im Fall der westlichen Kulturen, sind deren Moralvorstellung aufgrund der kolonialen und kulturellen Verbreitung zu einem fast weltweiten Standard geworden, wenn auch zumal nur oberflächlich beachtet.

Die menschengemachte Moralität der Postmoderne, als Gegenstück zur christlichen Moralität, besitzt keinen Ankerpunkt mehr bezüglich moralischer Wertvorstellungen. Stattdessen wird eine Moralvorstellung produziert welche, vorspiegelnd dass sie der Vernunft entspringt, sich letztlich nur nach den niedersten menschlichen Trieben richtet. Beispielhaft hierfür ist die nun immerzu erneut auftretende Entmenschlichung gewisser Bevölkerungsgruppen, welche sich gegen ein geltendes Narrativ stellen, seien dies nun Skeptiker, welche gewisse Betrachtungen zur sog. Covid-Pandemie in Frage stellten, oder auch die russischen Soldaten während des Ukraine-Krieges, welcher 2022 begann (und zur Zeit des Verfassens dieser Zeilen noch währt). Ein Verhalten, welches, der christlichen Grundlage, dass alle Menschen gleichwertig sind, über lange Zeit zutiefst verpönt war, und in der Postmoderne erneut normalisiert wurde.

Der christliche Glaube beinhaltet eine Abgrenzung zwischen dem Weltlichen und dem Göttlichen, wobei der Mensch als Abbild Gottes, zu verstehen im Sinne eines Repräsentanten, über das Weltliche verfügen soll („füllet die Erde und machet sie euch Untertan“ – 1. Mos 1, 28). Dies ist pragmatisch auch so zu verstehen, dass der Mensch zwar über die Erde herrscht, über ihn jedoch der Schöpfer, und somit die Herrschaft des Menschen eingegrenzt ist, ebenso wie der Mensch über gewisse Phänomene, wie u.a. die zuvor erwähnten, keinen oder nur begrenzten Einfluss hat.

Indem diese Begrenzungen aber beiseitegelegt werden, so zumindest in der emotionalen Realität der Postmoderne, kann der Mensch sich nun zum Schöpfer über sich selbst erheben, somit auch zu seinem eigenen Gott, welcher ohne jegliche Limitierung über die Realität verfügen kann, in einer vollendeten Amoralität, welche sich zwar als der Vernunft entsprungenen Moralität verschleiert, jedoch tatsächlich vom Menschen selber geschaffen wird.

Ebenso wie die emotionale Realität die rationale Realität supplantiert, indem sie vorgibt, rational zu sein und mittels der Eudokese die dialektische Erkenntnisgewinnung überbrückt, so kann sich auch hier ein Ausbruch der niederen Triebe des Menschen als vermeintlich moralische Wertvorstellung ausgeben, und so den letzten rationalen Reflex der Infragestellung einer solchen Amoralität effektiv ausschalten.

Folglich ist es keineswegs überraschend sondern durchaus logisch, dass diese postmoderne, menschengemachte Moralität schlussendlich genau den Moralvorstellungen (bzw. der Abwesenheit dessen) entspricht, welche als vorchristlich oder auch mittelalterlich (insofern der Fortdauer heidnischer oder unchristlicher Gewohnheiten) einzustufen sind: Die heidnische Verehrung von Gottheiten, z.B. eines Gottes des Wetters; die Missachtung der Heiligkeit des Menschenlebens; die vorchristliche Opferung von Kleinkindern; die Modifizierung des menschlichen Körpers, u.v.m..

So schreibt Paulus im Römerbrief, Kapitel 1, über die Heiden: „Sie haben Gottes Wahrheit in Lüge verkehrt und das Geschöpf verehrt und ihm gedient statt dem Schöpfer“; „schändliche Leidenschaften; denn bei ihnen haben Frauen den natürlichen Verkehr vertauscht mit dem widernatürlichen“; „desgleichen haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit der Frau verlassen und sind in Begierde zueinander entbrannt und haben Männer mit Männern Schande über sich gebracht“; „voll von aller Ungerechtigkeit, Schlechtigkeit, Habgier, Bosheit, voll Neid, Mord, Hader, List, Niedertracht; Ohrenbläser, Verleumder, Gottesverächter, Frevler, hochmütig, prahlerisch, erfinderisch im Bösen, den Eltern ungehorsam, unvernünftig, treulos, lieblos, unbarmherzig.“

Beschreibungen, welche in weiten Teilen auch, zumindest aus der Sicht christlicher Moralität, auf die moralische Entwicklung der Postmoderne anzuwenden wären, nicht unbedingt immer wegen der Handlungen an sich, wohl aber aufgrund der Verherrlichung dieser. Es ist kein Zufall, sondern lediglich die Erkenntnis darüber, welchen Trieben der Mensch verfällt, wenn er sich moralisch auf sich selbst angewiesen findet, und letztlich der Arroganz verfällt, sich zum Schöpfer zu erheben welcher, wie in der allegorischen Bedeutung des „Frankenstein“, letztlich nur eine krude Imitation der tatsächlichen Schöpfung erschaffen kann.

„Epistemologie der Postmoderne – Überarbeitete Fassung“ (130 S., 7,99€) ist im Online-Handel erhältlich.

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Herr Berger

A. M. Berger, der bescheidene Hausierer von Geschichten und Traktaten, ist in der Schweiz ansässiger Philosoph und Autor von Romanen und Kurzgeschichten.
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